Interviews

Schleifen mit technischer Keramik: Ein Expertengespräch

Herr Schmitt, Sie beraten seit Jahren Ihre Kunden zum Thema Schleifen mit technischer Keramik. Welche unterschiedlichen Formen kommen in Ihrem Geschäft in der Praxis regelmäßig zum Einsatz?

Bernhard Schmitt: Wir setzen im Allgemeinen drei Arten von Schleifkörnungen ein. Die günstigste davon ist mit Korund, einem vergleichsweise weichen Material, besetzt. Korund nutzen wir vor allem für normale Stähle, Eisen und für Buntmetalle. Die nächsthärtere Variante ist Siliciumcarbid, das im größeren Umfang für gehärtete Stähle angewendet wird. Als härteste keramische Körnung nutzen wir Borcarbid. Borcarbid verwenden wir vor allem für hochgehärtete Stähle und Legierungen, aber auch zum Schleifen von weniger harten Stählen. Das ist vor allem der Fall, wenn der Faktor Zeit beim Schleifen eine wesentliche Rolle spielt, beispielsweise wenn es darum geht, ganze Serien von Stählen abzuschleifen. Für Schleifarbeiten bei hohen Temperaturen wird im industriellen Umfeld außerdem kubisches Bornitrid eingesetzt.

Gibt es auch Fälle, wo der Einsatz von Borcarbid an seine Grenzen stößt?

Die Anwendung von Borcarbid endet bei der Schleifung von sehr harten keramischen Teilen wie zum Beispiel Zirkonoxid, das u. a. für orthopädische Zwecke wie künstliche Hüftgelenke verbaut wird. Bei der Schleifung von derart harten Materialen kommt eigentlich nur noch Diamantpulver infrage, keramische Alternativen gibt es dann nicht mehr.        

Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass es mit dem Einsatz von Borcarbid sehr schwer ist, einen Spiegelglanz zu erzielen. Wenn dieser ausdrücklich nicht gewollt ist – gut. Wird dieser aber gewünscht, helfen wir durch ein leichtes Nachpolieren mit Diamantkörnung nach und erhalten dadurch den gewünschten Glanz. Wichtig: Beim Einsatz von Borcarbid-Schleifpulvern muss man wissen, dass das Material bei entsprechend starker mechanischer Einwirkung brechfreudiger reagiert als beispielsweise Diamant. Das gilt es insbesondere bei der Abstimmung des jeweiligen Drucks, der über die Scheiben übertragen wird, zu beachten. Tut man das nicht, dann lässt die Schleifwirkung des Borcarbids nach, die anvisierte Rautiefe kann dann bald schon nicht mehr erreicht werden.

Mit welchen Methoden wird bei Ihnen vorzugsweise geschliffen?

Wir in unserem Anwendungsbereich arbeiten immer noch viel mit der Hand. Hierfür gibt es gerade im Bereich der Einzel- und Sonderanfertigung oder bei Wartungseinsätzen durchaus noch Bedarf. Das war zuletzt weniger in der Automobilindustrie der Fall, wo man, anstatt die Ventile neu einzuschleifen, die Zylinderköpfe häufig komplett ersetzt. Dafür werden wir zum Beispiel häufiger für Wartungsarbeiten in der Schiffsindustrie herangezogen, wo sich das Handschleifen der in der Regel sehr großen Ventile immer lohnt. Auch beim Schleifen von Ventilen in Blockheizkraftwerken ist zunehmend Handarbeit gefragt.

Wie sieht dieses Handschleifen mit Keramikeinsatz konkret aus?

Wir arbeiten vor allem mit dem Einsatz von Handläppern. Zur Erklärung: Im Gegensatz zum Schleifen, wo `gebundenes` Korn eingesetzt wird, spricht man vom Läppen dann, wenn das Korn ungebunden, also lose ist, insbesondere als Bestandteil eines entsprechenden Öls oder einer Paste. Diese Paste wird dann einzeln aufgetragen, um beispielsweise ein Ventil einzuschleifen. Mit der Paste sind wir dann in der Lage, gleichzeitig den Ventilsitz und den Ventilkegel zu bearbeiten.

Warum kommen bei solchen Prozessen bevorzugt flüssige oder ölige Schleifmittel zum Einsatz?

Die Verwendung von Ölen oder Pasten hat hier gleich drei Funktionen bzw. Vorteile. Als erstes ist natürlich die Schmierwirkung zu nennen. Zum Zweiten verhindert man durch die Kühlwirkung der Flüssigkeit, dass die Schleifkörper zu heiß werden. Zum Dritten kann das abgeschliffene Material über die Flüssigkeit abtransportiert werden. Über diese drei Wirkungen definiert sich auch der Einsatz des jeweiligen Schleifmittels. Bei einer Paste haben wir weniger Leistung beim Kühlen und beim Transport, dafür eine hohe Schmierwirkung. Bei Ölen liegen Kühl- und Transportfähigkeit eher im mittleren Bereich bei gleichzeitig hoher Schmierwirkung. Bei der Verwendung einer Schleifemulsion ist es genau umgekehrt: geringe Schmierwirkung bei allerdings guter Kühl- und Transportleistung.

Worauf muss man beim Einsatz von Schleifpasten besonders achten?

Den wesentlichen Unterschied macht hier die Härte des zu schleifenden Materials aus. Sie ist bei der Auswahl der Paste dafür verantwortlich, dass die anvisierte Zielrautiefe tatsächlich auch erreicht werden kann. Ein zweiter wichtiger Aspekt betrifft die Frage, wie rostempfindlich das eingesetzte Material ist. Bei hoher Rostempfindlichkeit sollte man eben nicht auf wasserlösliche, sondern auf öllösliche Pasten zurückgreifen. Andere Anwendungen reagieren wiederum sehr empfindlich auf Ölrückstände, welche die öllöslichen Pasten hinterlassen. Hier sollten dann unbedingt wasserlösliche Pasten verwendet werden.

Was die jeweilige Anwendung betrifft: Gilt es beim Einsatz von Pasten bestimmte Regeln einzuhalten?

Nein, eigentlich gibt es hier keine eindeutigen Regelungen oder No-Gos. Es kommen hier einfach zu viele Parameter zusammen, welche die Anforderungen für die spezifischen Anwendungen je nach Fall in die eine oder andere Richtung lenken können. Welche Paste ich in welcher Zusammensetzung verwende, hängt wesentlich von dem zu schleifenden Körper und seiner chemischen Zusammensetzung ab, aber eben auch von dem Schleifprozess als solchen und dem, was man hinsichtlich der Dreierwirkung: Schmieren, Kühlen, Transportieren erreichen will. Gerade bei neuen Anwendungen gibt es keinen Königspfad, es geht vielmehr darum, sich behutsam an das gewünschte Ergebnis heranzutasten.

Seit 2004 ist Bernhard Schmitt Geschäftsführender Inhaber der Artur Glöckler GmbH. Das mittlerweile in der vierten Generation geführte Familienunternehmen hat sich im Verlauf seiner über hundertjährigen Historie zunehmend auf die Herstellung, Beratung und Anwendung von Schleifpasten und Schmierstoffen für den technischen Handel fokussiert.

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