Interviews

Keramik & Kunststoff - Steigender Bedarf an Lösungen

Herr Tesch, im Rahmen Ihres neuen Verbundprojekts beschäftigen Sie sich mit unterschiedlichen Einflussfaktoren und möglichen Eigenschaftsverbesserungen im Hinblick auf die Entwicklung und Verbesserungen verschiedener Kunststoffverbindungen. Sie selbst haben sich dabei vor allem mit dem Faktor Wärmeleitfähigkeit auseinandergesetzt. Welche Rolle nimmt in diesem Kontext die Keramik als Werkstoff ein?

Tesch: Eine sehr bedeutende. Keramik weist als Füllstoff noch einige andere hervorragende Eigenschaften auf, aber im Zentrum der Anwendungen steht die Wärmeleitfähigkeit in Kombination mit einer elektrischen Isolierung. Insofern haben wir uns innerhalb unseres Projekts auch recht intensiv mit dem Thema Kunststoff-Keramik-Verbundwerkstoffe beschäftigt.

Wie würden Sie die Bedeutung von Keramik als Wärmeleiter in der Verbindung mit Kunststoff, durchaus auch im Vergleich zum Einsatz anderer Werkstoffe, beschreiben?

Tesch: Keramik ist ein hervorragender Wärmeleiter und kann als solcher für eine Vielzahl von Werkstoffen in entsprechenden Anwendungen eingesetzt werden. Aus unserer Perspektive betrachten wir es vor allem als funktionellen Füllstoff, aus dem man weitere funktionelle Bauteile kreieren kann – dies gerade auch in Verbindung mit seinen isolierenden Eigenschaften. In dieser Doppelfunktion dient Keramik als typisches Gehäusematerial, etwa bei technischen Kunststoffen wie Polyamid oder anderen Gehäusewerkstoffe wie PC/ABS. Aber auch in Hochleistungskunststoffen kann Keramik als funktioneller Füllstoff einen Mehrwert innerhalb eines Bauteils darstellen. Darüber hinaus gibt es Keramiken, die ein sehr richtungsabhängiges Verhalten in der Wärmeleitung bieten. Im Vergleich zu mineralischen Füllstoffen, die in der Regel richtungsunabhängige Wärmeleitung bei deutlich niedrigerer Wärmeleitung ermöglichen, können bezüglich dieser Keramiken gezielte Wärmenester (Hot-Spots) in Anwendungen deutlich effizienter eliminiert werden.

Im Vergleich zu mineralischen Füllstoffen, die in der Regel richtungsunabhängige Wärmeleitung bei deutlich niedrigerer Wärmeleitung ermöglichen, können bezüglich dieser Keramiken gezielte Wärmenester (Hotspots) in Anwendungen deutlich effizienter eliminiert werden.

Michael Tesch

Kommen neben der Wärmeableitung, möglicherweise in Kombination mit der Isolationsfähigkeit, noch andere Eigenschaften hinzu?

Tesch: Ja, aber diese Stärken von Keramik werden hauptsächlich in Verbindung mit den erstgenannten Eigenschaften eingesetzt. So weist Keramik im Vergleich zu anderen Füllstoffen eine relativ geringe Mohshärte auf. Sie liegt zum Beispiel bei hexagonalem Bornitrid bei gerade einmal zwei. Das wiederum sichert Vorteile bei der Verarbeitung der Stoffe, insbesondere was das Verschleißverhalten betrifft.

Weitere Vorteile in der Zusammensetzung kann die geringe Dichte von Keramik als Füllstoff bieten – das gilt gerade auch im Vergleich zu anderen, beispielsweise mineralischen Werkstoffen. Das sichert Vorteile bei Leichtbauanwendungen und spielt gerade heutzutage eine immer größere Rolle, wo es doch in vielen Anwendungen darum geht, jede nur mögliche Gewichtseinsparung in einem Bauteil zu realisieren. Es sind hier letztlich die Anforderungen in ihren spezifischen Kombinationen, welche die Vergleichbarkeit mit anderen Füllstoffen ausmachen – im Wärmebereich sind dies beispielsweise Alumosilikate, -oxyde oder -nitride oder Zinksulfite – mit denen Keramik als Füllstoff im Wettbewerb steht.

Und was sind Nachteile beim Einsatz von Keramik in Verbindung von Kunststoffen?

Tesch: Da ist in allererster Linie der Preis. Keramik ist im Vergleich zu den meisten konkurrierenden Füllstoffen relativ teuer. Man muss den Preis aber immer in Relation zu den jeweiligen Anforderungen betrachten. Spielt Wärmeleitfähigkeit eine zentrale Rolle, kommt die elektrische Isolierfähigkeit und möglicherweise eine andere wesentliche Anforderung wie geringe Härte oder Dichte dazu, dann kann die erreichte Performance mit dem Einsatz von keramischen Füllstoffen im Vergleich zu anderen Werkstoffgruppen sogar  Kostenvorteile mit sich bringen.

Neben dem Preisfaktor als möglichen Nachteil muss man immer auch die unterschiedlichen Arten von Keramik im Auge behalten. Diese können Anwendungen komplexer machen als vergleichsweise bei anderen Werkstoffen. Hier liegt dann, z. B. je nach Art des Füllstoffs, eine sogenannte „Anisometrie“ vor. So müssen wir beispielsweise bei den Keramikplättchen (Platelets) die Richtungsabhängigkeit der Wärmeleitung in Fließrichtung und quer dazu beachten.

Ein dritter, möglicher Nachteil von Keramik als Füllstoff kann, sofern gefordert, die geringe Schlagzähigkeit bzw. die geringen Dehnungswerte des Materials bedeuten. Diese Aspekte sind bei allen anderen Füllstoffen ebenfalls mehr oder weniger ausgeprägt und werden neben der Füllstoffart auch durch den Füllstoffanteil im Compound beeinflusst.

Wir sind der Ansicht, dass da noch reichlich Potenzial vorhanden ist, insbesondere dort, wo man durch Anpassung der Füllstoffe Vorteile in Richtung der mechanischen Eigenschaften umsetzen kann.

Michael Tesch

Apropos Preis: Gibt es auch mit Einsatz von Keramik im Kunststoff Möglichkeiten, den Preis merklich zu reduzieren?

Tesch: Ja, es gibt hier Möglichkeiten, aber nicht bei den Preisen für die Grundmaterialien, die sind relativ stabil. Es lassen sich aber beispielsweise Kosten bei der Bauteilherstellung einsparen, indem wir den Füllstoffanteil von Keramik im wärmeleitfähigen Compound minimieren und diesen durch ein kostengünstigeres Alumosilikat ergänzen. Hierdurch konnten wir Anteile von vormals fünfzig Prozent Keramik im Kunststoff auf dreißig senken, ohne die geforderte Wärmeleitfähigkeit negativ zu beeinflussen. Wichtig ist natürlich, dass die entsprechenden Anforderungen in vollem Umfang erfüllt werden können.

Welches Potenzial bietet der Einsatz von Keramik in Kunststoffen für die Zukunft? Sind hier noch Optionen offen oder sind die Grenzen in der Anwendung bereits einigermaßen abgesteckt?

Tesch: Wir sind der Ansicht, dass da noch reichlich Potenzial vorhanden ist, insbesondere dort, wo man durch Anpassung der Füllstoffe Vorteile in Richtung der mechanischen Eigenschaften umsetzen kann. Die Wärmeleitfähigkeit ist eben nur eine Seite der Medaille, wichtig ist, dass wir diese – entsprechend der spezifischen Anforderungen – mit den erforderlichen mechanischen Eigenschaften verbinden können. Diese Zielkonflikte, Verbundwerkstoffe etwa mit hoher Schlagfertigkeit zu generieren, gilt es für uns zu lösen.

Ein zweiter Punkt sind die Hot Spots. Als „Hot Spots“ in diesem Sinne werden Wärmequellen im Gehäuse bezeichnet, bei denen die hohen Temperaturen an manchen Stellen sehr konzentriert auftreten. Hier gibt es Bestrebungen, solche Hotspots zu vermeiden, indem man die eingesetzten Materialien modifiziert. Ziel ist es, eine optimale Temperaturspreizung hineinzubekommen.

Zum Dritten suchen wir nach weiteren Möglichkeiten, um die Anhaftung in einem Compound, eben organisch und anorganisch, weiter zu optimieren. Erst wenn sie eine gute Anhaftung im Polymer haben, können sie auch die Vorteile in Richtung der Wärmeleitfähigkeit und der mechanischen Eigenschaften vollständig nutzen. Auch hier sehen wir noch Raum für Entwicklungspotenzial. Weiterhin wollen wir verstärkt Einfluss auf die Fließeigenschaften der Compounds nehmen. Durch hohe Füllstoffzugaben verändert sich die Viskosität, auch hier können wir über die Entwicklung neuer Kombinationen Einfluss nehmen.

Und aus der Anwendungsperspektive? Welche Potenziale sehen Sie hier?

Tesch: Der Bedarf an Entwärmungslösungen und damit der Bedarf an wärmeleitfähigen Kunststoffen steigt definitiv an. Beispielsweise wenn es darum geht, Wärme aus LED-Dioden abzuleiten und somit auch die Lebensdauer der Beleuchtungskörper zu verlängern. Überhaupt wird Wärme vielfach als Störfaktor wahrgenommen, nicht zuletzt auch deshalb, weil die entsprechenden Bauteile immer kleiner konzipiert werden. Hier gibt es insbesondere in der Medizinindustrie einen steigenden Bedarf an Lösungen im Bereich der Wärmeableitungen, gerade auch was das Handling und die Leichtbauweise von nicht-stationären Geräten betrifft.

Auch bei der E-Mobilität ist Wärmeableitung ein wesentlicher Faktor z. B. im Hinblick auf den Wirkungsgrad. Die entscheidende Größe bei der Entwärmung ist hier die Konvektion. „Steht die Luft“ an einem Gehäuse, dann lässt sich Kunststoff hier sehr erfolgreich einsetzen, weniger erfolgreich ist die Anwendung bei zwangsgeführter Erwärmung etwa durch strömende Luft oder Wasserkühlung. Hier reichen die erzielbaren Wärmeleitfähigkeitswerte von Materialsystemen bei gleichzeitig elektrischer Isolierung eher nicht aus.

Seit 1994 ist Michael Tesch für das Kunststoff-Institut Lüdenscheid tätig. Nachdem der gelernte Werkzeugmacher und diplomierte Kunststofftechniker dort 1999 die Laborleitung übernommen hatte, baute er 2006 den Bereich Werkstofftechnik / Neue Materialien auf, den er seitdem leitet. Seit 2012 ist er zudem Mitglied der Geschäftsführung des Instituts.

Unter seiner Verantwortung wurden bis heute zahlreiche Werkstoffentwicklungsprojekte erfolgreich umgesetzt. Neben Themen wie Flammschutz, Rezyklieren von Carbonfasern, Akustik, Biokunststoffen oder der Einsatz von Naturfasern hat sich das Institut zuletzt intensiv mit dem Einsatz wärmeleitfähiger Kunststoffe in marktrelevanten Anwendungen auseinandergesetzt – zuletzt auch innerhalb eines Verbundprojektes, an dem mehr als zwanzig Industrieunternehmen aus unterschiedlichen Branchen und Branchensegmenten beteiligt sind.

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