Interviews

3D Drucken mit technischer Keramik

Designfreiheit erhöhen – komplexe Strukturen realisieren – neue Ideen generieren

Geht es um die zielgenaue Herstellung von 3D-Objekten, nimmt das Additive Manufacturing in der industriellen Produktion einen immer größeren Raum ein. Aber eignet es sich auch, anstelle von Kunststoff, für den Einsatz von technischer Keramik? – Dr. Krishna Uibel, promovierter Werkstoffwissenschaftler, gibt hier einen Überblick über den aktuellen Status quo und einen Ausblick über die Chancen und Möglichkeiten additiver Keramik an der Schnittstelle von Gegenwart und Zukunft.

Herr Dr. Uibel, wie würden Sie, möglichst einfach, die additive Fertigung (engl. „additive manufacturing“) beschreiben? Was unterscheidet sie von den konventionellen Fertigungsverfahren?

Uibel: Ein Teil der Antwort steckt schon in der Frage. „Additiv“ heißt ja nichts anderes, als dass etwas aufgebaut wird, dies in den meisten Fällen Lage für Lage. Grundsätzlich sind additive Verfahren auf die Fertigung von Kunststoffobjekten ausgerichtet, sie können aber auch für Metalle oder Keramiken eingesetzt werden. Konventionelle Verfahren sind dagegen subtraktiv, das heißt, hier wird, etwa durch Fräsen und Bohren, Material entnommen, um ein Objekt herzustellen.

Welche grundsätzlichen Verfahren in der additiven Fertigung gibt es?

Zunächst einmal der 3D-Druck, denn auch dieser zählt zu den additiven Verfahren. Beim 3D-Druck wird ein Binder in ein Pulverbett gedruckt und verfestigt dort das Material. Dieser Prozess wird Lage für Lage wiederholt, wobei der Binder auch die Lagen miteinander verbindet und so das Druckerzeugnis herstellt. Dazu gibt es den „direkten“ 3D-Druck. Dabei wird das Material direkt aus den Druckköpfen auf ein Substrat aufgebracht wird. Die Lagen verfestigen sich hier durch das Verdampfen von Lösemitteln. Besonders daran: Ich kann hier mehrere Druckköpfe und entsprechend auch mehrere Materialien einsetzen.

In der Stereolithographie wird für die Herstellung von 3D-Objekten ein flüssiger Kunststoff verwendet, der lageweise geschichtet und über einen Laser verfestigt wird.

Die Fused Filament Fabrication ist wohl das Verfahren mit dem einfachsten technischen Aufbau und der größten aktuellen Verbreitung. Bei diesem Verfahren wird ein Polymer-Filament aufgeschmolzen, die flüssige Schmelze dann lageweise abgelegt, wobei sie gleichzeitig erstarrt. Eine Variante davon ist das Liquid Deposition Modelling, bei der eine keramische Masse abgelegt wird. Das 3D-Objekt wird anschließend getrocknet und via Sinterprozesses verfestigt.  

Das Selective Laser Sintering erlaubt die Anwendung unterschiedlicher Werkstoffe, darunter auch Metalle. Dabei handelt es sich um ein Pulverbettverfahren, in dem lageweise Pulver aufgebraucht und mit einem Laser versintert wird. Das Material schmilzt unter Einwirkung des Lasers und verbindet so die Lagen auch miteinander.

Zuletzt das Laminated Object Manufacturing. Hier wird eine Folie auf ein Substrat aufgebracht und mit dem Laser ausgeschnitten. Die Folie ist einseitig klebend und wird dann mit der jeweils nächsten bis zur Fertigstellung des Objekts verklebt.

Additive Manufacturing erlaubt Anwendern nicht nur ein hohes Maß an Designfreiheit, sie können damit auch sehr komplexe Strukturen abbilden.

Dr. Krishna Uibel

Worin bestehen, verfahrensübergreifend, die Vorteile der additiven Fertigung?

Additive Manufacturing erlaubt Anwendern nicht nur ein hohes Maß an Designfreiheit, sie können damit auch sehr komplexe Strukturen abbilden. Ein weiterer wichtiger Punkt: Gegenüber konventionellen Verfahren lässt sich hier die Anzahl von Prozessschritten und der Materialeinsatz reduzieren. Durchaus auch möglich, dass sich künftig auch Serienfertigungen kostengünstiger produzieren lassen. In der Anwendung als Rapid Prototyping kommt bei der additiven Fertigung noch die vergleichsweise schnelle Produktion von Prototypen oder Kleinserien hinzu. Dadurch ermöglicht sie etwa Designern, ohne größeren Aufwand neue Ideen – beispielsweise für die Herstellung neuer Bauteile – auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen.

Von den aufgeführten Verfahren: Welche davon sind denn überhaupt für die Keramik interessant?

Ich habe in Zusammenarbeit mit meinen Kollegen eine Bewertung durchgeführt, und unser Ergebnis war, dass sich das direkte Tintenstrahldrucken, die Stereolithographie und Liquid Deposition Modelling am besten dafür eignen. Alle anderen Methoden kommen zurzeit für den Einsatz keramischer Materialien nicht infrage.

Und welche keramischen Werkstoffe sind, umgekehrt, besonders für den Einsatz bei der additiven Fertigung geeignet?

Für die oxidkeramischen Werkstücke sind das Aluminiumoxid und Zirkonoxid, auf der nichtoxidischen Seite Siliciumnitrid und Siliciumcarbid oder auch Borcarbid. Die Verwendung anderer technischer Keramiken erfordert Prozesse, die, Stand heute, nicht mit 3D-Verfahren abbildbar sind.

Bei der Einsatzform gibt es keine Unterschiede zur herkömmlichen Prozesskette. Es handelt sich dabei immer um ein feinkörniges keramisches Pulver, das mit Polymeradditiven versetzt wird. Damit wird dann ein Grünkörper erzeugt, in dem die Partikel durch einen Polymerbinder verbunden sind. Dieser wird dann unter hohen Temperaturen gesintert, sodass am Ende ein dichtes keramisches Bauteil entsteht.

Mit Blick auf die Zukunft ist vor allem auch eines wichtig. Selbst mit vollendetem 3D-Druck entsteht bei der Verwendung von Keramik nie ein fertiges Bauteil. Dafür sind insbesondere bei den Nichtoxiden immer noch thermische Prozesse notwendig, wie sie in Vakuum- oder Drucksinteröfen stattfinden können. Das heißt: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass das Thema Additive Fertigung auch in Zukunft bei den Keramikherstellern bleibt, zumal die Anforderungen hinsichtlich Festigkeit, Fehlerfreiheit oder auch Oberflächenqualität eben auch andere Geräte im Einsatz betreffen.

Mit Blick auf die Zukunft ist vor allem auch eines wichtig. Selbst mit vollendetem 3D-Druck entsteht bei der Verwendung von Keramik nie ein fertiges Bauteil. Dafür sind insbesondere bei den Nichtoxiden immer noch thermische Prozesse notwendig, wie sie in Vakuum- oder Drucksinteröfen stattfinden können.

Dr. Krishna Uibel

Für welche Bereiche kommen additiv gefertigte Keramiken als Bauteil besonders in Frage?

Prinzipiell für Bereiche, wo sie auch konventionell gefertigt werden, denn Keramik ist nun mal ein Werkstoff, der sich gegenüber anderen Materialien durch eine ganze Reihe besonderer Eigenschaften auszeichnet. Dazu zählt der hohe Härtegrad, wie er beispielsweile beim Einsatz als Werkzeug zum Schleifen oder Schneiden oder als ballistischer Schutz in Panzerungen zum Tragen kommt. Die hohe Resistenz gegen chemische Korrosion findet sich etwa in der Anwendung von Siliciumcarbid wieder, das für Lager und Dichtungen in Pumpen, für Wärmetauscher oder Mikroreaktoren gebraucht wird, eben dort, wo aggressive Substanzen durchgeführt werden. Die hohe Temperaturstabilität von Keramik wird immer da benötigt, wo Metalle und Kunststoffe an ihre Einsatzgrenzen kommen. In Umgebungen, wo Temperaturen über 500 oder auch 1000 Grad Celsius herrschen, gibt es keine echten Alternativen zu keramischen Werkstoffen mehr. Ein weiteres Feld betrifft den funktionalen Einsatz, etwa bei elektrischen Isolierungen oder Leitung in hohen Temperaturbereichen. Tatsächlich wird es heute schon bei der Herstellung von Implantaten, Kronen oder Brücken in der Dentalkeramik eingesetzt, wenn es also darum geht, individuelle „Bauteile“ in geringer Stückzahl zu produzieren. Zukünftig werden aber bestimmt noch weitere Anwendungen hinzukommen, von denen wir jetzt noch gar nichts wissen können.

Lässt sich denn schon absehen, wie sich der Markt dazu in den kommenden Jahren entwickeln wird?

Schwierig. Momentan ist es noch so, dass die Drucker mit der im Einsatz geforderten, sehr hohen Präzision noch extrem teuer sind. Diese Genauigkeit aber benötigen wir, wenn es etwa darum geht, Materialien in einer Mikrostruktur miteinander zu kombinieren, etwas, was mit den herkömmlichen Verfahren so eben nicht möglich ist. So lässt sich zukünftig vorstellen, dass einzelne Sensoren „additiv“ tatsächlich in einem einzigen Druckverfahren aufgebaut werden können. Wenn wir in die Zukunft schauen, sollten wir aber stets im Auge behalten, dass die additiven Fertigungsverfahren allesamt für den Einsatz von Kunststoff konzipiert wurden. Abgesehen von der Stereolithographie, wo es schon kommerzielle Anbieter gibt, sind wir gerade an dem Punkt, zu überprüfen, ob und wo die bestehenden Verfahren den Bedürfnissen von Keramik angepasst werden können. Dafür steht momentan eine ganze Reihe solcher Anlagen in den Forschungslaboren großer Konzerne, wo versucht wird, sie an die speziellen Erfordernisse von Metall oder Keramik anzupassen, um sie möglicherweise später in eine kommerzielle Nutzung zu überführen.

Beispiele, bei denen der Druck von Keramik bereits den Schritt aus der Laborentwicklung gefunden hat, sind Dentalprodukte wie Kronen und Brücken aus Zirkonoxid, die über Stereolithographie oder im direkten Tintenstrahldruck kurz vor der Kommerzialisierung stehen, oder z.B. Produkte für Hochtemperaturanwendungen wie Rekuperatorbrenner aus Si-SiC, die bereits zum täglichen Geschäft des Keramikherstellers Schunk Ingenieurkeramik zählen.

Noch ein wenig Zukunftsmusik?

Den großen Nutzen beim jetzigen Stand der Entwicklung können wir heute nur umreißen. Die Anknüpfungspunkte dazu habe ich bereits genannt, aber wir dürfen nicht vergessen, dass etwa die Designfreiheit, die wir mit der additiven Fertigung genießen, uns ermöglichen kann, ganz neue Produkte zu entwickelnd. Das gilt beispielsweise für den Aufbau komplexer, innenliegender Strukturen. Oder wenn es darum geht, neue Materialien in einer Mikrostruktur in Größenordnungen von einigen 10 oder 100 Mikrometern einzubinden und, je nach Anforderungsprofil, mit den Eigenschaften anderer Materialien zu kombinieren.

Seit Ende 2000 arbeitet Dr. Krishna Uibel im Bereich keramischer Rohstoffe, technischer Keramik und keramischer Beschichtungssysteme. Während seiner Promotion an der RWTH Aachen hat er Werkstoffe und Beschichtungen für Hochtemperaturanwendungen entwickelt und den Grundstein für das direkte Tintenstrahldrucken gelegt. In einem patentierten Verfahren konnte erstmals eine Zirkonoxidkeramik mit > 1000 MPa Festigkeit additiv gefertigt werden.

Heute verantwortet Dr. Krishna Uibel das Productmanagement bei der Friatec AG.

In insgesamt 22 Patentanmeldungen konnte er als Erfinder und Miterfinder Schutzrechte für innovative Produkte in den Bereichen 3D-Drucken, Hochtemperaturwerkstoff und -prozesse, anorganische keramische Beschichtungen, thermisch leitfähige Füllstoffe und Formgebungsprozesse von BN-Polymercompounds sowie keramische Bauteile anmelden.

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